Das Moseltal als historische Kulturlandschaft

Dr. Elisabeth von den Hoff-Kremer 

Argumente zur Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste

Das Moseltal gehört zu den bedeutendsten Kulturlandschaften Deutschlands. Es ist ein einmaliges interessantes Beispiel für die geomorphologische Talentwicklung mitteleuropäischer Ströme im Pleistozän (Eiszeitalter) und es ist beispielhaft für die Jahrtausende alte von den Menschen entwickelte historische Wein-Kulturlandschaft, die an die Besonderheit dieser Flußlandschaft angepasst ist. 
Das gilt es zu erhalten, das hätte auch bei der Planung einer Hochbrücke solch gewaltigen Ausmaßes berücksichtigt werden müssen. 

Die Landschaft

Charakteristisch für das Moseltal ist der ständige Wechsel des Landschaftsbildes. Steile Prallhänge, die bewaldet sind oder den typischen Steillagen-Weinbau tragen wechseln mit flachen Gleithängen, auf denen Obstwiesen, Gärten oder größere Dörfer stehen. Diese abwechslungsreiche, asymmetrische Talgestalt ist eine Folge der einzigartigen Mäanderbildung der Mosel. Mäander werden als regelmäßig sich wiederholende Flußwindungen verstanden. 
Wann sie entstanden sind und warum sie sich gerade an der Mittelmosel zwischen Trier und Cochem entwickelt haben, ist aus der Talgeschichte zu erklären. 

Die Entstehung des Moseltals

Seit rund einer Million Jahren hat sich die Mosel ihr Tal selbst geschaffen, in einer Epoche, die durch den klimatischen Wechsel zwischen Warrnzeiten und Kaltzeiten im Pleistozän (Eiszeitalter) und durch eine vom Klimawandel unabhängige tektonische Heraushebung des Rheinischen Schiefergebirges gekennzeichnet ist. 
Reste ehemaliger Moselläufe findet man heute im verschieden hohen, mit Flußschottern bedeckten Stufen am Hang, den Terrassen der Mosel. Es lassen sich fünf durchlaufende Terrassen rekonstruieren:      Höhenterrasse und Hauptterrasse im Hochtal      2 Mittelterrassen und eine Niederterrasse im Moselengtal. 
Von einer noch älteren tertiären Urmosel sind nur ganz vereinzelte Ablagerungen übrig geblieben. 
Die wechselvolle Geschichte der Talentwicklung lässt sich am besten an Talquerschnitten verdeutlichen, z.B. dem bei Ürzig oder bei Pünderich (siehe Profil l und Profil 2). 

Die ältesten pleistozänen Moselablagerungen, die der Höhenterrasse, finden wir heute in 300 m NN – 320 m NN, es sind meterhohe grobe Flußgerölle. Die Landschaft der Höhenterrassenzeit war völlig anders als heute : ein eingeschnittenes Tal gab es noch nicht. Der Fluss pendelte in der Hochebene. Es herrschte Eiszeitklima, dürftige Tundrenvegetation bedeckte den Boden, der tief gefroren war. Dieser Dauerfrostboden taute nur in den Sommermonaten in den oberen Schichten auf und bewegte sich hangabwärts (Solifluktion). 
Auch die Mosel war fast ganzjährig zugefroren und bildete im „Sommer“ ein breites, verzweigtes und völlig verwildertes Flußsystem, in dem die Schotter kaum noch transportiert werden konnten. Sie wurden abgelagert und die Reste blieben als Höhenterrasse erhalten. 
In der folgenden Warmzeit, die unserem jetzigen Klima vergleichbar war, schnitt sich die Mosel in ihre eigenen älteren Flußablagerungen und auch noch in das darunter liegende Schiefergestein bis zum heutigen 260 m NN-Niveau ein, wie die Profile Ürzig-Zeltingen-Rachtig und Pünderich zeigen. Begünstigt war das Einschneiden durch die langsame Hebung des Rheinischen Schiefergebirges. 
Diese Erosionsphase wurde durch die nachfolgende zweite große Kaltzeit unterbrochen. Wieder konnte die Mosel die durch Solifluktion anfallenden Schuttmasse in der kurzen eisfreien Sommerzeit nicht mehr transportieren und hinterließ in ihrem kilometerbreiten verzweigten Flußbett bis zu zwanzig Meter mächtige grobe Gerölle, Lehme und Sande : die Hauptterrasse. Sie ist durchgehend erhalten und bestimmt das Bild des Moselhochtals. Die Verbreitung der Hauptterrasse zwischen Trier und Bullay lässt noch kein Mäandertal sondern nur einen leicht geschwungenen, verwilderten Flusslauf erkennen (Karte 1).

Die Mäanderbildung setzte erst ein als sich die Mosel in ihre eigenen Hauptterrassenschotter einschnitt. Damals verstärkte sich die tektonische Hebung des Rheinischen Schiefergebirges, was eine verstärkte Tiefenerosion der Mosel zur Folge hatte: 120 m beträgt das Einschneiden von der Oberkante der Hauptterrasse bis zur Basis der Oberen Mittelterrasse. Das Moselengtal war entstanden. 
Mehrere Faktoren begünstigten die Bildung der Mäander beim Einschneiden in die Hauptterrassen-Ablagerungen. 
Einmal war es der Klimawandel, der Beginn einer neuen Warmzeit und damit das Abklingen der Schuttzufuhr der Solifluktion und das Ende der Verwilderung des Flusses. 
Der allgemeine Klimawandel kann aber nicht die einzige Ursache gewesen sein, denn nicht überall in Mitteleuropa finden sich Mäander. 
Als weiterer Grund gilt die Unregelmäßigkeit beim Herausheben des Rheinischen Schiefergebirges, nämlich eine stärkere Aufwölbung im Raum Cochem. Deshalb liegt unterhalb von Cochem ein durch stärkere Tiefenerosion und folglich Streckung des Flußlaufs gekennzeichneter Abschnitt, während die Mosel oberhalb der Aufwölbung von Cochem mehr Energie für Seitenerosion und damit für die Ausbildung von Flußwindungen zur Verfügung hatte. 
Erst nach der zweiten großen Kaltzeit gibt es also das asymmetrische Mäandertal der Mosel mit Prall- und Gleithängen. 
Noch dreimal wurde die normale Flußentwicklung durch Kaltzeiten unterbrochen, in denen drei weitere Schotterterrassen entstanden : die Obere und Untere Mittelterrasse und die Niederterrasse (Profile Ürzig und Pünderich). Die Situation war in allen Kaltzeiten ähnlich. Durch die Solifluktion über gefrorenem und fast vegetationslosem Boden kamen gewaltige Schuttmassen ins Flußtal, so dass zum Beispiel in der Unteren Mittelterrassenzeit das Moseltal mehr als 25 m hoch mit Kies und Sand zugefüllt wurde. Die Mosel konnte aber ihr Engtal nicht mehr verlassen, kilometerbreite Talsysteme wie zur Hauptterrassenzeit gab es nicht mehr. 
Wenn nach den Kaltzeiten das Klima wieder wärmer wurde, dichte Vegetation die Hänge überzog, die Schuttzufuhr aufhörte, hatte die Mosel mehr Energie zum Einschneiden. So blieben Reste der eiszeitlichen Schotter an den Gleithängen erhalten. An den Prallhängen, wo die Fließgeschwindigkeit der Mosel immer am größten war, konnte der Fluß alle Reste älterer Talböden abtransportieren und einen Steilhang ausbilden. 
In der Nacheiszeit hat sich die Mosel nur bis an die Basis der Niederterrassenschotter eingegraben. 
Eine Besonderheit aus der Talgeschichte der Mosel ist die 

Region der Umlaufberge und Trockentäler

Ein „Umlaufberg“, also ein Berg, der ehemals von einem Fluß „umlaufen“ wurde, kann aus einer Flußkrümmung entstehen, wenn zwei Prallhänge sich direkt gegenüber liegen und der Fluß die Engstelle durchbricht. Die alte Flußschleife wird dann zum Trockental. 
Hier gibt es auf engstem Raum gleich drei Umlaufberge. Diese einmalige Konzentration eines geomorphologischen Phänomens kann man von Brauneberg aus überblicken und sie zeigt wieder die Einzigartigkeit der Landschaft des Moseltals. 
Zum Beginn der Oberen Mittelterrassenzeit, einer Kaltzeit, floß die Mosel von Brauneberg noch weit nach Süden bis Burgen, Veldenz und weit nach Norden bis Osann, südlich Platten, über Siebenborn bis Lieser (Karte 2). Damals erfolgte schon der erste Durchbruch der Mosel zwischen Brauneberg und Mülheim. Der Geisberg wurde der erste im älteste Umlaufberg, es gab keine späteren Moselablagerungen mehr um den Geisberg herum. Heute nutzen Frohnbach und Veldenzer Bach das ehemalige breite Moseltal (Karte 3). 

In der dann folgenden Warmzeit änderte sich am Lauf der mäandrierenden Mosel nichts, sie floss von Mülheim über Maring, Noviand, Osann, südlich Platten, Siebenborn bis nach Lieser, ungefähr in der Höhe von 140 m NN (Karte 2 a). 
In der nächsten Kaltzeit, der Zeit der Unteren Mittelterrasse, füllte die Mosel ihr Tal mindestens 25 m hoch mit Geröll, Lehm und Sand an. Es gelang ihr, die wegen der Prallhänge schon erniedrigte Schwelle bei Noviand – Siebenborn zu durchstoßen. Damit wurde der Noviander Hüttenkopf zum zweiten Umlaufberg (Karte 2 b). Noch in derselben Kaltzeit durchbrach die Mosel auch die Schwelle zwischen Mülheim und Lieser und schnürte den Maringer Berg ab. 
So bietet sich heute ein einmaliges Landschaftsbild mit drei Umlaufbergen, dem Osanner Trockental und dem Trockental von Siebenborn – Lieser. Heute fließt die Mosel zwischen Brauneberg und Bernkastel in gestrecktem Verlauf (Karte 2 c). 
In einer Kiesgrube bei Osann konnten vor einigen Jahren fossile eiszeitliche Böden beobachtet und kartiert werden. 
Die Entwicklungsgeschichte des Moseltals ist beispielhaft für andere Ströme Mitteleuropas, sie zeigt die Verflechtung mit den klimatischen Phasen des Pleistozäns und mit der jüngeren Tektonik im Rheinischen Schiefergebirge und ist darüber hinaus ein Beispiel für das Entstehen und Weiterbilden von Mäandern. 

Literatur:

Die Karten und Profile sind aus Kremer, E. (1954): 
„Die Terrassenlandschaft der mittleren Mosel als Beitrag zur Quartärgeschichte“, Bonn 1954 

Anmerkungen zur Kulturlandschaft

Angepasst an die Einzigartigkeit der Flusslandschaft des Moseltals prägten die Menschen durch ihre Tätigkeit über Jahrtausende die Umwandlung zur Kulturlandschaft. Zunächst ging diese Umwandlung sehr langsam vor sich. In der Altsteinzeit (Paläolithikum) änderte sich fast nichts, Funde sind selten und nur in der Umgebung von Trier dokumentiert. Auch die Anfänge von Ackerbau, Viehzucht und sesshafter Lebensweise liegen noch weitgehend im Dunkel der moselländischen Geschichte. 
Erst aus der Vorrömerzeit gibt es Belege für eine kulturlandschaftliche Umgestaltung, beste Beispiele sind Martberg und Hüttenberg auf dem Hauptterrassenplateau bei Pommern – Karden (Abb. 5 a und b) Ausgegraben und dokumentiert wurde ein bedeutendes Oppidum der Treverer, das in der Latene – Zeit bewohnt war. Es fanden sich sogar noch Funde aus der Jungsteinzeit. Später errichteten die Römer dort einen Tempelbezirk. Heute wird die Fläche ackerbaulich genutzt. 
Im Folgenden werden nur einige Beispiele aus der direkten Umgebung der Moselhochbrücke und der B 50 neu aufgezählt. Diese Straße führt über den schmalen Moselsporn zwischen Bernkastel und Trarbach, wo steinzeitliche Feuersteinreste gefunden wurden. Dort, oberhalb des Ortes Graach, gibt es noch nicht untersuchte Grabhügel und auch ein größeres Gräberfeld, das nach den Grabbeigaben in die frühe Latene – Zeit datiert werden konnte. 
Vieles deutet darauf hin, dass es auf dem schmalen Moselsporn eine frühgeschichtliche Besiedlung entlang einer Verbindungsstraße von Belginum über die Mosel zur Wirtlicher Senke gegeben hat. Die Römer haben diese Straße ausgebaut und an ihr ein Heiligtum in einem größeren Tempelbezirk errichtet (Abb. 6), genau dort, wo die B 50 neu verlaufen soll, der auch noch ein Teil der Graacher Schanzen (erbaut zwischen 1794 und 1797) geopfert wird. Vor dem Straßenbau müßte dieses Gelände archäologisch erforscht werden. 
Der zur Mosel abfallende Steilhang zwischen Bernkastel und Zeltingen-Rachtig war schon zur Römerzeit mit Rebstöcken bestanden. Dafür spricht die – wahrscheinlich – größte Kelteranlage des Moselraums, die 1995 im Josephshof in Graach ausgegraben wurde. Auf der anderen Moselseite liegt eine weitere römische Kelteranlage östlich Ürzig, unterhalb des Burgberges, auf dem Mauerreste eines Castellum der Treverer zu finden sind. 
Die Moselhochbrücke durchschneidet einen Raum mit großer alter Geschichte, die sich im Mittelalter fortsetzt und in den Bauten der Dörfer und Städte heute noch ablesbar bleibt. 
Ein Beispiel ist der Josephshof in Graach, ehemals als Martinshof von der Trierer Abtei St. Martin gegründet, besaß er rund ein Drittel der gesamten Graacher Weinbergsfläche und wurde im Zuge der Säkularisation verkauft. Mit dem Kapellenanbau im Renaissance – Stil ist er heute noch ein historisch bedeutsames Ensemble, genau so wie die anderen Graacher Höfe, z.B. die der Trierer Abteien St. Paulin, St. Maximin, des Simeonstifts oder des Kurfürstlichen Hofes. 
Im ganzen Land prägten die kirchlichen Besitzungen die Gestaltung der Dörfer, das Wirtschaftsleben und die Sozialstruktur im Mittelalter. 
Einzigartig ist die Weinbaulandschaft in dieser Region. Am Steilhang zwischen Bernkastel und Zeltingen und am Steilhang von Ürzig trifft man die weltbekannten Spitzenlagen des Mosel – Rieslings, z.B. Bernkasteler Doktor, Bernkasteier Badstub, Graacher Domprobst, Wehlener Sonnenuhr, Zeltinger Himmelreich, Ürziger Würzgarten, Erdener Treppchen. 
Alle Dörfer und Städte des Moseltals sind seit der Römerzeit „Weinorte“, charakterisiert durch die alten Adelshöfe, die Fachwerkbauten und die großen Steinhäuser der Winzerfamilien. Überragt von denkmalwerten Kirchen und mittelalterlichen Burgen bilden die Orte auch heute noch ein in sich geschlossenes Siedlungsbild. Auch die modernen Verkehrswege – Bahn, Straßen, kleine Brücken – passen sich noch dem Bild der Kulturlandschaft an. 
In Zukunft geht es um eine behutsame nachhaltige Weiterentwicklung ohne die Maßstäblichkeit der Ort- und Landschaftsbilder zu zerstören. Die Betonmassen einer Hochbrücke passen nicht in dieses Bild.

Fähigkeiten

Gepostet am

7. September 2019

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